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Das Globenpaar aus der Löwenschen Sammlung

Erd- und Himmelsgloben wurden in der Frühen Neuzeit als Paar verkauft. Sie illustrieren das damalige geografische und astronomische Wissen.

zukünftig wird ein Ensemble des 18. Jahrhunderts als Glanzstück in der neuen Dauerausstellung im Katharinenkloster ausgestellt.

Dieses aus einem Erd- und einem Himmelsglobus bestehende Paar wurde ursprünglich wahrscheinlich in der Sammlung Löwen aufbewahrt, die der Generalgouverneur von Schwedisch-Vorpommern Axel von Löwen (1686–1772) zusammengetragen und der Stadt Stralsund 1761 testamentarisch überlassen hat. Damit gehören sie zum Gründungsbestand der Sammlung des STRALSUND MUSEUM.

Das damals bekannte Wissen über Himmel und Erde ließ sich zu Anschauungszwecken auf den Schreibtisch oder den Fußboden stellen: Die Globen haben einen Durchmesser von jeweils 46 Zentimetern. Die aus einem Holzkern mit Gips bestehenden Kugeln wurden mit Papier beleimt, das aus Segmenten besteht und im Kupferstichverfahren bedruckt wurde. Später wurden die Segmente per Hand koloriert. Jede Kugel ist in ein Gestell aus Ebenholz mit vier gedrechselten Säulen in den Horizontring eingebettet und wird von einem Meridianring aus Messing gehalten.

Die Globen wurden 1715 von Gerard (1651–1726) und Leonhard Valk (1675–1755) hergestellt. Sie waren Vater und Sohn und arbeiteten in Amsterdam als Kartografen, Kupferstecher und Verleger.

Die Detailaufnahme des Erdglobus zeigt die lateinische Legende mit Angaben zu den Herstellern und dem Herstellungsort.

Wie im Himmel, so auf Erden

Werfen wir einen näheren Blick in den Himmel: Himmelsgloben zeigen den Sternhimmel dreidimensional auf einer Kugel. Auf ihnen werden seit der Antike bekannte Götter und Krieger sowie Tiere abgebildet, deren Form sich aus Sternen zu Sternbildern zusammensetzt. Diese lassen sich besser als unzusammenhängende Punkte merken. Die Darstellung der Sternbilder wurde von Astronomen stetig erweitert und geändert. Ein bisschen ist der Himmel wie ein Wimmelbild: Auch Dinge wie Schiffe und wissenschaftliche Instrumente der Zeit findet man am Firmament. 

Wissenschaftliche Instrumente am Sternenhimmel

Die Sterne dieses Himmelsglobus der Valks wurden auf Grundlage der Beobachtungen des Danziger Bierbrauers und Astronomen Johannes Hevelius (1611–1687) für das Jahr 1700 berechnet. In dessen posthum erschienenem Sternkatalog Prodromus Astronomiæ [...] aus dem Jahr 1690 werden im Sternatlas in Teil 3 [1] neue Sternbilder wie Sextant (lat. Sextans Uraniæ) und Kleines Dreieck (lat. Triangulum Minus) eingeführt – also von den Zeitgenossen für die Navigation, Astronomie und Landvermessung faktisch genutzte Instrumente, die sich auch in der Sammlung des STRALSUND MUSEUM finden.

In der Kartusche steht auf Latein, auf welches Wissen die Hersteller des Globus zurückgriffen: Erwähnt wird der Danziger Astronom Johannes Hevelius. Auch Instrumente aus der Seefahrt und Astronomie wie dieser Sextant, den Hevelius für seine Himmelsbeobachtungen benutzte, werden dargestellt.

Zugleich werden am Sternenhimmel der Südhalbkugel Fantasie-Elemente gezeigt, die der griechischen Mythologie entstammen: ein einmastiger Schiffstyp – vielleicht eine Karacke – mit barock anmutenden Wappenschilden mit Sonnen- und Sterngesichtern an der Reling, einem kunstvoll geschnitzten Steven und einem Bug mit Tierantlitz. Auch hier lohnt sich der Blick ins Buch, um das Dargestellte zu verstehen: Hevelius bildet im Sternkatalog Prodromus Astronomiæ auf einer Doppeltafel (vor den Tabellen mit Sternpositionen) eben dieses heute nicht mehr bekannte Sternbild ab. Es handelt sich um das Schiff Argo (lat. Argo Navis), das bereits in der Antike vom griechischen Mathematiker, Geografen und Astronomen Claudius Ptolemäus als Sternbild eingeführt worden ist. Ein Held der griechischen Mythologie namens Jason begab sich mit der Argo und seinen Reisegefährten, den nach dem Schiff benannten Argonauten, auf die Suche nach dem Goldenen Vlies. Dieses sagenumwobene Ding war das Fell eines goldenen Widders, der vom Meeresgott Poseidon und der Thrakerin Theophano gezeugt wurde. Er konnte nicht nur sprechen, sondern sogar fliegen!

Erstaunlich ist, dass der Globus scheinbar die Kupferstiche aus dem astronomischen Werk trägt. Hier lässt sich ein medialer Wissenstransfer ablesen, der viel über die Zusammenarbeit von Wissenschaftlern und Künstlern verrät.

In diesem Detail sieht man einen Segelschiffstyp des Barocks mit Fantasie-Elementen. Der auf dem Globus ebenfalls erwähnte Astronom Hevelius zeigt auch in seinem Sternkatalog von 1690 das Sternbild Schiff Argo (lat. Argo Navis). Mit der Argo und den Argonauten begab sich ein Held der griechischen Mythologie namens Jason auf die Suche nach dem Goldenen Vlies.

Globenpaare in anderen Sammlungen

In Sammlungen sind Globen nicht immer paarig erhalten, da Erd- und Himmelsgloben getrennt voneinander weiterverkauft worden sein können. Sind noch Paare vorhanden, werden sie in Museen teilweise nicht zusammen ausgestellt, da Himmel (Astronomie) und Erde (Geodäsie) in unterschiedliche Sammlungsgebiete fallen. Eine Ausnahme bildet der Mathematisch-Physikalische Salon in Dresden, der in dem beeindruckenden Saal "Das Universum der Globen" kleine und große Globenpaare zeigt.

Die beiden Exemplare des STRALSUND MUSEUM (Inv.-Nr. 2009:253 a, b) sind von herausragender Qualität und gut erhalten. Vor wenigen Jahren wurden sie mithilfe der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung behutsam restauriert. Ähnliche Globen der niederländischen Hersteller Gerard und Leonhard Valk werden in bedeutenden Museen wie dem National Maritime Museum (NMM) in Greenwich paarig als Erd- und Himmelsglobus oder im Deutschen Museum einzeln als Himmelsglobus aufbewahrt. Der Himmelsglobus des NMM wurde aus Globussegmenten zusammengesetzt, die ebenfalls auf 1715 datieren. Sie wurden jedoch erst 1750 auf eine Kugel aufgezogen. Dies zeigt die Möglichkeit auf, dass die Anfertigung eines Drucks (Flachware) und die Anfertigung eines Globus (3-D-Objekt) zeitlich auseinanderliegen können. Flaches Papier lässt sich nämlich leichter als eine Kugel transportieren.

Erstarkende Hafenstädte in der Frühen Neuzeit

Amsterdam, der Herstellungsort von Valks Globen, war seit dem 17. Jahrhundert eine wichtige Handelsstadt. Das Erstarken der Niederlande als See- und Handelsmacht hing neben der Ausbeutung der niederländischen Kolonien in Afrika und Asien auch mit der Religionsfreiheit zusammen. In der Stadt wurden neben nautischen Instrumenten wie Oktanten und Kompassen auch Karten und Atlanten hergestellt. Im sogenannten Goldenen Zeitalter blühten Kunst und Kultur.

Bereits im 17. Jahrhundert waren die Globen des Amsterdamer Astronomen, Kartografen, Kupferstechers und Verlegers Willem Janszoon Blaeu (1571–1638) europaweit gefragt. Auch von ihm bewahrt das STRALSUND MUSEUM einen Himmelsglobus auf, der wahrscheinlich aus der Löwenschen Sammlung stammt (Inv.-Nr. 2011:206). Auf diesem ist unten ebenfalls das Sternbild Schiff Argo zu sehen. Das steht auf Lateinisch zwar auch daneben, aber erst durch den Vergleich mit anderen Himmelsgloben wird deutlich, dass Sternbilder und ihre Darstellungen im Laufe der Geschichte nicht statisch sind, sondern sich auch verändern können.

Welcher Astronom für diesen Globus sein Wissen lassen musste? Das ist eine andere Geschichte ...

 

[1] Firmamentum Sobiescianum, sive uranographia, kurz auch: Uranographia.