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John Horneburg Chronologie

Im Folgenden steht eine Chronologie der Ereignisse im Dritten Reich jenen in Stralsund gegenüber. In einer dritten Spalte werden die Auswirkungen auf die Familie Horneburg sichtbar gemacht.

Deutsches Reich (1933)

30.1.1933
Adolf Hitler wird Reichskanzler. Die Verfolgung von Menschen, die nicht dem nationalsozialistischen Dogma entsprechen, wird nun staatlich unterstützt und gefördert.

7.4.1933
Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums: Beamte "nicht arischer" Herkunft werden aus dem Staatsdienst entlassen.

Stralsund (1933)

4.2.1933
Auflösung des Bürgerschaftlichen Kollegiums und Neuwahlen. Die Nationalsozialisten sichern sich die Mehrheit.
Von rund 49.000 Einwohnern in Stralsund sind 134 jüdischen Glaubens. 32 Grundstücke sind in jüdischem Besitz. Stralsund besitzt damit die größte jüdische Gemeinde in Vorpommern.

1.4.1933
Aufruf zum Boykott jüdischer Geschäfte, an dem sich nur wenige Stralsunder beteiligen. Der Händler Gustav Zimmerspitz erleidet einen Herzinfarkt, als SA-Posten vor seinem Lederwarengeschäft stehen.

5.4. 1933
Beschluss der Stralsunder Stadtverwaltung zum Abbruch aller geschäftlichen Verbindungen zu jüdischen Warenhäusern und Händlern.

Familie Horneburg (1933)

Entlassung der beiden Töchter John Horneburgs: Gertrud Horneburg aus dem Stralsunder Postdienst und Dora Horneburg aus dem Bürodienst eines Stettiner Warendienstes. Beide ziehen nach Hamburg und eröffnen einen Mittagstisch für Studenten.

Stralsund (1934)

1934 Schrittweise Enteignung der jüdischen Warenhäuser Wertheim und Tietz. Umbenennung der Judenstraße in Jodestraße. Zeitungen schalten keine Anzeigen jüdischer Firmen mehr.

Kantor Simon Lemke am Altar der Stralsunder Synagoge in der Langenstraße 69, Fotografie, um 1934, Stadtarchiv Stralsund

Familie Horneburg (1934)

11.7.1934 Beschwerde von John Horneburg an den Oberbürgermeister Dr. Heydemann zum Verbot der Anzeigenschaltung in den Zeitungen.

Deutsches Reich (1935)

15.9.1935 Verabschiedung der "Nürnberger Gesetze" auf dem Reichsparteitag der NSDAP. Juden wird damit die Ausübung ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit erschwert.
Das enthaltene "Reichsbürgergesetz" erkennt nur Staatsangehörige "deutschen und artverwandten Blutes" als "Reichsbürger" an.
Das "Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre" verbietet die Eheschließung sowie den außerehelichen Geschlechtsverkehr zwischen Juden und Nichtjuden. Verstöße gelten als "Rassenschande" und werden mit Zuchthaus bestraft.

19.12.1935
Runderlass des Reichsministers des Inneren über "fremde Rassen": Als fremde Rassen in Europa werden Juden und Zigeuner angesehen.

Stralsund (1935)

18.8.1935 "Der Judenspiegel" als umfassende Wochenendbeilage in der "Pommerschen Zeitung" verstärkt den Antisemitismus in der Stadt. Menschen jüdischen Glaubens wird das Betreten öffentlicher Bäder untersagt.

Aufgrund der Nürnberger Gesetze wird erstmals eine Aufstellung aller jüdischen Geschäfte und Beschäftigten erstellt, die nationalsozialistisch gesinnte Kunden meiden sollen. Im Kreis Stralsund sind 61 Namen aufgelistet.

Die aus Stralsund stammende Näherin Anna Grosse wird im August als "Judendirne" durch die Straßen Bergens getrieben, weil sie ein Verhältnis mit einem jüdischen Fabrikbesitzer hat.

Familie Horneburg (1935/36)

Der "arische" Musiker am Stralsunder Theater Otto Warsany wird wegen des Verstoßes gegen das "Gesetz zum Schutze deutschen Blutes" gezwungen, die Verlobung mit der Halbjüdin Käthe Horneburg, Tochter von John Horneburg, zu lösen. John Horneburg weiß, dass er "dieses Drama nicht verhindern kann". Er hatte Adolf Hitlers "Mein Kampf" gelesen und zu dem bestimmten Absatz im Buch vermerkt: "Jetzt sind meine Kinder Mischlinge ersten Grades, wo wird das enden."

Deutsches Reich (1938)

26.4.1938
Verordnung über die Anmeldung des Vermögens von Juden. Jeder Jude, auch der nichtjüdische Ehegatte, hat sein Vermögen anzumelden und bewerten zu lassen.

27.7.1938 Erlass des Reichsministers des Inneren über die Entfernung jüdischer Straßennamen: Die Entfernung jüdischer Straßennamen wird angeordnet.

17.8.1938
Zweite Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über die Änderung von Familiennamen und Vornamen: Männliche Juden haben den weiteren Vornamen "Israel" und Jüdinnen "Sara" zu führen.

26.10.1938
Runderlass des Reichsführers der SS und der Deutschen Polizei zum Aufenthaltsort für Juden mit polnischer Staatsangehörigkeit: Polnische Juden müssen das Staatsgebiet bis zum 29.10.1939 verlassen.

9.–12.11.1938 Reichspogromnacht/ Novemberpogrome
Systematische Verfolgung der deutschen Juden, die in den Holocaust mündet.

12.11.1938
Verordnung zur "Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben": die Ausplünderung der Juden wird staatlich gefördert. Juden wird der Betrieb von Einzelhandels-, Versandgeschäften oder Bestellkontoren sowie der selbständige Betrieb eines Handwerks untersagt.

15.11.1938
Runderlass des Reichsministers für Erziehung und Unterricht: Jüdischen Kindern wird der Schulbesuch untersagt.

24.1.1939
Erlass von Adolf Hitler an den Chef der Sicherheitspolizei Reinhard Heydrich zur Lösung der Judenfrage.

30.1.1939
Adolf Hitler droht in seiner Rede zur Wiederkehr der Machtergreifung mit der "Ausrottung des europäischen Judentums".

25.2.1939
Runderlass zur Förderung der Auswanderung von Juden: Wohlhabende Juden haben eine Auswanderungssteuer zu entrichten.

12.9.1939
Juden werden besondere Geschäfte für den Einkauf von Lebensmitteln zugewiesen.

Okt. 1939
Erlass des Reichsführers und des Chefs der Deutschen Polizei zur sofortigen Inhaftierung von Juden wegen Missachtung von Anweisungen und Deportierung in ein Konzentrationslager.

Stralsund (1937/38)

Versuch des Stralsunder Oberbürgermeisters, die Geschäftsbeziehungen zwischen einheimischen "Ariern" und dem jüdischen Händler John Horneburg zu unterbinden. Aufforderung zum Verkauf von wertvollen Objekten an das hiesige Museum.

22 Personen werden gezwungen, die Vornamen "Sara" bzw. "Israel" anzunehmen.

Bis Ende 1938:
Ein Drittel der jüdischen Bürgerinnen und Bürger hat die Stadt verlassen.

1938/39
Die letzten 20 Grundstücke, Geschäfts- und Wohnhäuser, die sich noch im Besitz von Menschen jüdischen Glaubens befinden, werden "arisiert".


11.5.1939
Oberbürgermeister Stoll meldet dem Gauleiter der NSDAP die Beendigung der „Arisierung“ der jüdischen Betriebe.

Familie Horneburg (1937/38)

John Horneburg erhebt Einspruch gegen die Verwendung des Namens "Israel". Als Deutsch-Amerikaner wolle er seinen zweiten Vornamen "Ely" behalten. Dieser Bitte wird nicht stattgegeben. Er soll "Eli" schreiben oder eine beglaubigte Geburtsurkunde vorlegen. Da er das so kurzfristig nicht kann, beugt er sich der angeordneten Namensgebung.

Dezember 1938
Beginn der Auflösung der Firma Horneburg durch die erzwungene Abgabe der Schlüssel für das "Horneburgsche Lager" an den Bücherrevisor Erich Fischer.

1938 bis 1941
Zwangsverkauf der Häuser von John Horneburg in der Semlowerstraße 1 und Mühlenstraße 11.

Januar 1939
Auflösung des Antiquariats durch den Bücherrevisor Erich Fischer aus Stralsund. Versteigerung im Hotel Brandenburg in der Mönchstr. 51 am 25./26.1. durch Carl Sagner aus Stettin. Der Bestand wird zwei Drittel unter dem eigentlichen Wert verkauft. Erich Fischer nimmt Antiquitäten in seinen Besitz, ohne dafür zu bezahlen. Das Museum kauft nach Aufforderung der NSDAP-Gauleitung Pommern und des Stralsunder Oberbürgermeisters 25 Objekte aus dem Versteigerungsbestand.

Alter Markt mit Rathaus, Nikolaikirche und Semlowerstraße 1, Postkarte, um 1927

Ende Oktober 1939
Umzug des Ehepaars Horneburg nach Hamburg Altona. Die geplante Emigration in die USA wird aufgegeben. Das Ehepaar übersteht die NS-Zeit bei seinen Töchtern Gertrud und Dora in Hamburg.

Deutsches Reich (1941/42)

31.7.1941
Hermann Göring beauftragt Reinhard Heidrich zur Vorbereitung der "Gesamtlösung der Judenfrage".

1.9.1941
Polizeiverordnung des Reichsministers des Inneren zur Kennzeichnung der Juden mit dem Davidstern.

25.11.1941:
11. Verordnung zum Reichbürgergesetz, die emigrierten Juden die deutsche Staatsbürgerschaft entzieht: Der Staat eignet sich so das noch verbliebene Vermögen der Juden in Deutschland an.

20.1.1942
In der Wannsee-Konferenz wird die technische Realisierung des Holocaust geplant. Die "Endlösung der Judenfrage" beschloss Adolf Hitler wohl einige Wochen zuvor.

Stralsund (1941-43)

In Stralsund leben noch 12 Juden, von denen fünf den Judenstern tragen müssen, die anderen leben in Mischehe. Juden ist es verboten, öffentliche Anlagen wie die Brunnenaue oder das Wulflamufer zu betreten. Sie dürfen weder ein Kino besuchen, noch die Straßenbahn benutzen.

November 1943
Von den 11 noch in Stralsund lebenden Juden werden 7 in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert.

Familie Horneburg (1941)

John Horneburg fordert in einem Brief (siehe Galeriefotos am Seitenende) aus Hamburg die Abrechnung seines Vermögens und meint "sie würde sicher noch specificiert".

Stralsund nach 1945

1945
Von den einst in Stralsund lebenden 160 jüdischen Bürgern haben mindestens 60 den Holocaust nicht überlebt.

Familie Horneburg nach 1945

1945/46
Rückkehr von John Horneburg nach Göhren/ Rügen und Aufbau eines neuen Antiquitäten- und Buchhandels.

1946
Antrag von John Horneburg auf Rückgabe der Grundstücke Semlowerstraße 1 und Mühlenstraße 11 sowie Ausgleichszahlungen. Anerkennung Horneburgs als Opfer des Faschismus.

1947
Tod von Ehefrau Carolina

21.2.1951
John Horneburg stirbt in Göhren/ Rügen.

"Wie stand er es durch, den Wandel 1939 von John Ely zu John Israel, aber er durfte es erleben und wieder zu John Ely Horneburg im Jahr 1945 werden. Er war immer noch Amerikaner, denn die Einbürgerung hatte er nie beantragt. Ein Romanstoff, fast wie die Buddenbrooks, aber die hat es nicht gegeben, Thomas Mann hatte sie erfunden."
Regina Horneburg, Enkelin von John Horneburg (1930-2019)