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Ein Bild – zwei Titel

Aquarell „Insel Vilm“ von Friedrich Preller d. Ä.

Friedrich Preller wurde 1804 in Eisenach geboren und wuchs in Weimar auf. Sein frühes künstlerisches Talent führte ihn an die Weimarer Zeichenschule, an der er später auch Lehrer und Direktor wurde. Goethe förderte ihn und vertraute ihm die Reinzeichnung von Wolken an. Nach Studien in Dresden und Antwerpen sowie mehreren ausgedehnten Italienreisen wurde Preller 1844 Professor und Hofmaler in Weimar. Reisen nach Norwegen und Friesland beeinflussten seine Kunst. Er heiratete zweimal und hatte mehrere Kinder, darunter den Maler Friedrich Preller der Jüngere. Friedrich Preller verstarb 1878 in Weimar.

Dass die Provenienzgeschichte beim Erwerb eines Kunstobjekts bereits vor fast 100 Jahren nicht unbedeutend war, belegt der Fall des Aquarells „Insel Vilm“ von Friedrich Preller d. Ä. Der Stralsunder Museumsdirektor Dr. Fritz Adler zeigte sich durchaus am Kauf des Bildes interessiert, wies aber den Verkäufer des Graphischen Kabinetts Guenther Franke in München angesichts des recht hohen Preises auf die fehlende Signatur des Künstlers hin. Angaben zur Herkunft des Bildes würden die Autorschaft des Aquarells sichern und den Preis rechtfertigen, so Adler gegenüber Franke. Doch wenngleich Adler noch mehrfach nach dem Besitzer des Bildes fragte, blieb Franke bei der recht vagen Auskunft, es stamme „aus altem Besitz“.

Geschäftsunterlagen des Graphischen Kabinetts in München konnten nicht ausfindig gemacht werden. So rückte eine Recherche in den Werkkatalogen des Künstlers in den Mittelpunkt. Doch das Aquarell weist eine Besonderheit auf: Es existieren mindestens zwei Titel: Während 1937 noch der allgemeinere Titel „Rügenlandschaft“ im Inventarverzeichnis des Stralsundischen Museums stand, wurde dieser in späterer Zeit im museumsinternen EDV-Erfassungssystem in „Insel Vilm“ geändert. Damit erfolgte eine Einschränkung des dargestellten geographischen Standorts. Der 1937 gewählte Titelzusatz „Meeresbucht mit waldiger Küste“ gibt eher einen Hinweis auf das dargestellte Motiv, ist aber nicht Teil des Titels.
Für den Künstler Friedrich Preller d. Ä. liegt kein vollständiges Werkverzeichnis vor, aus dem möglicherweise Vorbesitzer hätten ersichtlich werden können. In den gesichteten Werkverzeichnissen war das Aquarell nicht gelistet.

Eine weitere Spur bildete der überlieferte Familienteilnachlass des Künstlers, der 2008 vom Thüringer Museum Eisenach übernommen wurde. Hier könnten sich Hinweise auf mögliche Käufer (praktisch direkt von Preller erstanden) finden. So wäre eine Rekonstruktion nicht rückwärtsgewandt vom Kunsthändler zum früheren Besitzer, sondern vorwärtsgerichtet vom Künstler zum ersten Erwerber und von diesem aus weiter zum nächsten Besitzer möglich. Indessen gab der überlieferte Familienteilnachlass keine Informationen hierzu preis. Auch in den Datenbanken für Such- und Findmeldungen von NS-Raubgut gab es keine Übereinstimmung.
Indizien, nämlich die Angabe des Verkäufers Guenther Franke, dass das Bild „aus altem Besitz“ stamme und er für eine Reduktion des Verkaufspreises von den Besitzern das Einverständnis holen müsse, weisen auf eine Entlastung von einem NS-Raubgut-Verdacht hin. Allerdings lässt sich aufgrund dieser vagen Angabe nicht mit Gewissheit ein NS-verfolgungsbedingter Entzug ausschließen.