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Zwangsaufgelöst und doch kein NS-Raubgut

Die Fahne „Bismarckbund“

Die Bismarckjugend, später Bismarckbund genannt, war die konservative Jugendorganisation der DNVP in der Weimarer Republik. Sie förderte politische Schulung, nationale Traditionen und hatte einen paramilitärischen Charakter. Gegründet 1920, wurde sie 1933 von den Nationalsozialisten verboten. Zu ihren stärkeren Regionen gehörte auch Pommern, wo die Mitglieder überwiegend aus bürgerlichen und adeligen Familien stammten.

Im Provenienzforschungsprojekt des STRALSUND MUSEUMs wurde die Herkunft einer Fahne des ehemaligen Bismarckbundes Gau „Ferdinand von Schill“ untersucht. Am 16. September 1933 nahm das Museum die Fahne auf Anfrage der Nationalen Front, Kreisverein Stralsund, in Verwahrung. Der Bismarckbund und die Deutschnationale Front waren zu diesem Zeitpunkt aufgelöst. Die Fahne sollte als Symbol einer nationalen Jugendorganisation bewahrt werden. Weitere Unterlagen zur genauen Erwerbung oder zu beschlagnahmten Gewerkschaftsvermögen fehlen.

Die Fahne stammt aus dem Bestand eines im Zuge der NS-Gleichschaltung zwangsweise aufgelösten, aber nicht als politisch, rassisch, weltanschaulich oder religiös verfolgten Vereins. Nach Maßgabe der Definition für NS-Raubgut gilt als „NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut“ insbesondere solches, das Einzelpersonen oder Kollektiven aufgrund spezifischer Verfolgungsmaßnahmen des NS-Regimes – meist aus jüdischem Besitz oder aus weiteren durch das NS-Regime ausdrücklich verfolgten Gruppen – entzogen wurde. Bei der Fahne des Bismarckbundes liegt jedoch keine individuelle oder kollektiv verfolgungsbedingte Entziehung im Sinne der geltenden Restitutionspraxis vor. Die Provenienz des Objekts ist dokumentiert und deutet auf eine administrative Übergabe im Kontext der staatlichen Auflösung hin, jedoch ohne Bezug zu spezifischen NS-Verfolgungstatbeständen. Aus diesen Gründen ist die Fahne weder als NS-Raubgut einzustufen noch besteht eine Restitutionspflicht.